Im Rahmen der Studie wurde bei fast 76.000 Patienten (Alter ≥ 50 Jahre, 83 % Männer) mit Erstdiagnose einer Ischurie nach der Ursache der schmerzhaften Miktionsstörung gefahndet. Bei Männern kommt der Harnverhalt im Allgemeinen am häufigsten infolge einer benignen Prostatahyperplasie zustande, bei Frauen meist durch eine Hypokontraktilität des Detrusormuskels. Er kann aber auch Folge einer urogenitalen, gastrointestinalen oder neurologischen Karzinombildung sein – und das gar nicht mal so selten, wie die Ergebnisse der Studie beweisen: Drei Monate nach Diagnose des akuten Harnverhalts lag das absolute Risiko für das Vorliegen eines Prostatakarzinoms bei 5,1 %. Innerhalb dieses Zeitraumes wurden 3.198 Prostatakarzinome erfasst, also deutlich mehr als im allgemeinen Bevölkerungsdurchschnitt (93 Fälle), was einer Zahl von 218 zusätzlichen Prostatakarzinomen pro 1.000 Personenjahren entspricht. Verglichen mit der Allgemeinbevölkerung wurde außerdem ein Überschuss von 56 Harntraktkarzinomen, 24 Genitaltraktkarzinomen, zwölf Kolonkarzinomen und zwei Fällen neurologischer Karzinome (jeweils pro 1.000 Personenjahre) festgestellt.
Bei den meisten der untersuchten Krebsarten beschränkte sich die Risikosteigerung auf die ersten drei Monate des Follow-up. Die Risikowerte für ein Karzinom der Prosatata oder des Harntrakts gingen jedoch erst zwölf Monate nach Diagnose des Harnverhalts wieder zurück und das Risiko für invasives Blasenkarzinom blieb sogar über mehrere Jahre erhöht. Vor allem bei älteren Patienten mit akutem Harnverhalt ohne bekannte Ursache sollte man daher eine okkulte Krebserkrankung als mögliche Diagnose in Erwägung ziehen.OB