Onkologin berät älteren Patienten mit Fragebogen

Varia

Arzt-Depesche 1/2022

Patienten beraten, ohne sie zu verletzen

Wer Patienten mit fortgeschrittener Krebserkrankung betreut, steht immer wieder vor der schweren Aufgabe, unangenehme Nachrichten überbringen und schwere Entscheidungen treffen zu müssen. Dabei lassen sich viele Kommunikationsfehler vermeiden, wenn man nur ein paar wichtige Punkte beherzigt.
Eine niederländische Arbeitsgruppe befragte 74 Patienten mit fortgeschrittener Krebserkrankung, worauf es aus ihrer Sicht bei einer guten Arzt-Patient-Kommunikation ankommt. Einige Faktoren lagen klar auf der Hand und sollten grundsätzlich selbstverständlich sein – beispielsweise, dass man seinen Patienten mit Empathie begegnet und ihnen ausreichend Zeit gibt, schlechte Nachrichten innerlich zu verarbeiten. Empathie lässt sich außerdem vermitteln, indem man den Patienten mit Namen anspricht, ihm mit Verständnis und Respekt begegnet, ihm Unterstützung anbietet und sich nach seiner Gefühlswelt erkundigt. Auch ein gut gemeintes Kompliment („Sie sehen heute gut aus“) kann beim Patienten Unmut erzeugen, wenn nicht auch danach gefragt wird, wie der Patient sich fühlt. Es kommt darauf an, ein guter Zuhörer zu sein und Interesse zu zeigen. Viele Patienten empfinden es außerdem als verletzend, wenn sich ihr Behandler ihnen gegenüber unklar ausdrückt oder vage Versprechungen macht. Werden Sie also konkret, ohne zu sehr in Fachjargon zu verfallen. Wenn es um einen Rückruf oder einen Konsultationstermin geht, machen sie zuverlässige Zeitangaben und lassen Sie ihren Patienten nicht unnötig warten.
 
Hören Sie zu und fragen Sie nach! 
In bestimmten Situationen ist besonderes Fingerspitzengefühl gefragt, z. B. wenn es um prognostische Informationen, Entscheidungen in der Therapiegestaltung oder das Erwägen einer Einstellung der onkologischen Therapie geht. Denn in diesen Belangen tickt jeder Patient anders. Während manche genau über die Wahrscheinlichkeit eines Behandlungserfolgs Bescheid wissen wollen, verlieren andere dabei schnell alle Hoffnung. Ein „zu viel“ an Informationen kann den Patienten erschlagen, ein Mangel an Informationen wirkt verunsichernd. Es gilt, für jeden Patienten das richtige Maß zu finden, und das gelingt am einfachsten, indem man ihn nach seinen Wünschen und Ansprüchen fragt. Das gilt im Übrigen auch für die gemeinsame Entscheidungsfindung bei der Behandlung. Fragen Sie ihre Patienten, wie viel sie informiert und beraten werden möchten. Statt eine Therapie im Befehlston mit  den Worten „Sie müssen ...“ vorzuschlagen, empfiehlt es sich, eine Strategie anzubieten und mögliche Therapiealternativen mitsamt aller Vor- und Nachteile aufzuzeigen. Auch wann ein Therapiestopp mit ins Spiel gebracht werden sollte, wird von Patienten unterschiedlich betrachtet. Das heikle Thema lässt sich etwas sanfter ansprechen, indem man den Fokus auf die verfügbaren Optionen legt, inklusive symptomatischer Therapien, und dem Patienten immer wieder versichert, dass man ihn weiterhin auf seinem Weg unterstützt. 
Quelle: Westendorp J et al.: Mind your words: oncologists‘ communication that potentially harms patients with advanced cancer: a survey on patient perspectives. CANCER 2021; Epub Nov 11; doi: 10.1002/cncr.34018
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