Viele Jahre vor der eigentlichen Brustkrebsdiagnose stellte sich die Patientin mit zahlreichen Radiologiebildern und hauptsächlich Rückenschmerzen sowie Müdigkeit bei Earnest in der Ambulanz vor. Sie berichtete über eine ständig zunehmende Symptomlast und dass sie dadurch schon ihre täglichen Aktivitäten stark reduzieren musste und sie all ihre Energie und Aufmerksamkeit für ihre Symptome brauche. Earnest sah die Patientin nachfolgend fast zehn Jahre lang alle sechs bis acht Wochen. Ihre Krankenakte enthielt Berichte von Orthopäden, Neurochirurgen, Physiotherapeuten, Gastroenterologen, Neurologen und Rheumatologen. Alle ohne Befunde, die die Symptome erklären würden. Kurzzeitig halfen Betäubungsmittel, ihren Zustand zu verbessern.
Mit der Diagnose Brustkrebs änderte sich die Situation schlagartig. Sie erhielt das volle Programm – Operation, Strahlentherapie und Chemotherapie. Die Patientin konzentrierte sich in der Zeit ausschließlich auf den Krebs. Ihre Angst, zusammen mit den meisten ihrer Symptome, schien verschwunden zu sein. Die Krebsbehandlung war erfolgreich. Kurz nach dem letzten Arztbesuch bei Earnest nahm sie palliative Pflege in Anspruch. Es wurde noch COPD diagnostiziert; sie starb drei Jahre später an respiratorischer Insuffizienz. Der Krebs war nicht zurückgekehrt. Trotz vieler offener Fragen, die dieser Fall hinterließ, war sicher, dass der Krebs zwar geheilt wurde, die Patientin sich aber wohl nie richtig von ihrer Vorerkrankung erholt hatte. GH