Ästhetik

Arzt-Depesche 4/2021

Algorithmus zur Therapie von Keloiden / hypertrophen Narben

Seit 15 Jahren werden in einer von der Nippon Medical School (NMS), Tokio/Japan, gegründeten und auf Narben/Keloide spezialisierten Abteilung jährlich etwa 2.000 Patienten mit hypertrophen Narben (HS) / Keloiden behandelt. Diese langjährige Erfahrung hat die Effektivität der von der NMS angebotenen Therapien erheblich verbessert. Hier Auszüge aus dem neuesten NMS-Protokoll zur Behandlung von Keloiden und HS.
Obwohl das NMS-Protokoll für japanische Patienten optimiert wurde, zeigen die Erfahrungen mit einer wachsenden Zahl nicht japanischer Patienten, dass es auch bei anderen Ethnien erfolgreich angewendet werden kann. Die umfangreichen evidenzbasierten Erfahrungen, die in das NMS-Protokoll eingeflossen sind, legen nahe, dass es als Grundlage eines internationalen Standard-Behandlungsalgorithmus für pathologische Narben geeignet sein könnte.
 
Steroidtape/-pflaster
Die First-Line-Therapie im NMS-Protokoll bei Keloiden/HS bilden Steroidtape/-pflaster. Die meisten pädiatrischen und älteren Patienten können allein mit einem solchen Steroidtape/-pflaster behandelt werden, denn ihre Haut ist viel dünner und absorbiert das Steroid leichter. Zur alleinigen Therapie dicker Keloide eignet sich ein Steroidtape/-pflaster nicht. Hier sind zusätzlich Kortikosteroidinjektionen erforderlich. Sie bewirken, dass die Keloide/HS aufweichen und so das Steroid aus dem Tape/Pflaster besser aufgenommen wird. Mit Steroidtape/-pflaster können auch Keloid-/ HS-Rezidive nach Exzision verhindert werden. Das Steroidtape/- pflaster wird erstmals zwei bis drei Wochen nach Entfernung des Nahtmaterials eingesetzt und täglich gewechselt, bis die Narbe weich und abgeflacht ist. Narbensteifigkeit wird während der Nachsorge überprüft. Zusätzlich werden Steroide injiziert, wenn die Narbe nicht auf das Tape/Pflaster anspricht. Die Behandlung schließt mit der Applikation einer nicht steroidalen Salbe/Creme ab.
 
Steroidinjektion
Für die Steroidinjektionen eignet sich Triamcinolonacetonid. Injiziert wird das Steroid bevorzugt in den Narbenrand. Sobald die Narbe aufgeweicht ist, erfolgt die Injektion direkt in das Zentrum des Keloids. Kleinere Keloide/HS sprechen bereits nach ein bis zwei Injektionen an. Die Therapie wird dann mit einem Steroidtape/- pflaster fortgesetzt.
 
Bestrahlung
Ein Keloid-/HS-Rezidiv nach der Exzision kann durch adjuvante Bestrahlung effektiv kontrolliert werden. Das MS-Protokoll sieht nach Keloid-/HS-Resektion routinemäßig die postoperative Elektronenstrahlbestrahlung vor. In Kombination mit chirurgischen Methoden und Steroidtape/-pflaster reduziert dies die Rezidivrate deutlich. Der Strahl wird nach dem Durchtritt durch die Haut abgeschwächt und wirkt somit kaum auf die inneren Organe.
Eine weitere, immer beliebtere Bestrahlungsmethode für Keloide ist die oberflächliche hochdosierte Brachytherapie. Je nach Form der Operationsnarbe kann ein Applikator verwendet werden, um die Gleichmäßigkeit und Lokalisierung der Bestrahlung auf der Wundoberfläche sicherzustellen.
 
Laser
Bei flachen Keloiden/HS mit nur geringer Entzündung sieht das NMS-Protokoll einen 1.064 nm langgepulster Nd:YAG-Laser vor. So werden durch eine Steroidtherapie verursachte Rötungen/ Teleangiektasien verringert. Die erforderliche Gesamtstrahlendosis ist höher als die postoperative Strahlendosis. Deshalb sollte die Behandlung sorgfältig durchgeführt werden, um eine sekundäre Strahlenkarzinogenese zu vermeiden. Die Risiken der primären Strahlentherapie sollten jedoch an ihrem immensen Nutzen gemessen werden: Sie verringert schnell subjektive Symptome wie Schmerzen und Juckreiz und normalisiert im Laufe des folgenden Jahres die Narbenfarbe und -dicke schrittweise.
Sobald die Narbenentzündung durch andere Methoden vollständig unterdrückt wurde, können bei Personen mit geringem Risiko fraktionierte Abrasivlaser verwendet werden. Dies induziert eine Wundheilungsreaktion, die die Kollagen-III-Produktion erhöht und dadurch den Narbenumbau fördert. Wichtig ist, die Haut während der Lasertherapie zu kühlen, um oberflächliche Verletzungen zu vermeiden.
 
Make-up
Medizinische Make-up-Techniken mit wasserfester Kosmetik wie Rehabilitations-Make-up werden bei Narben an exponierten Stellen (z. B. Gesicht, Hals, Armen) empfohlen. Diese Techniken können von den Patienten erlernt und selbst angewendet werden. Sie wirken sich positiv auf dessen psychische Gesundheit aus und sind mit einer Akzeptanz des Narbenbildes und einer positiveren Einstellung zur Narbenbehandlung verbunden. Da die Ästhetik stark erhabener Narben mit Make-up kaum verbessert werden kann, sollte vor dem Make-up die Narbendicke mit Steroidpflaster/-injektionen reduziert werden. Leicht raue Narben können vor dem Auftragen der Foundation mit dünnen Tapes abgedeckt werden. GS
Kommentar
Patienten mit Keloid/HS, die multimodal therapiert werden, sollten sich einer längeren Nachsorge unterziehen und den Umgang mit ihrer Narbe und neuen Wunden erlernen. Die Patientenaufklärung ist ein enorm wichtiger Faktor, der den Erfolg des NMS-Protokolls bestimmt.
Quelle: Ogawa R et al.: The Latest Strategy for Keloid and Hypertrophic Scar Prevention and Treatment: The Nippon Medical School (NMS) Protocol J Nippon Med Sch 2021; 88-106
ICD-Codes: L91.0

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