Kasuistik

Arzt-Depesche 1/2017

Hämaturie & großer Lymphknoten

Der 19-jährige Patient stellte sich im Massachusetts General Hospital in Boston mit einer schmerzlosen Makrohämaturie vor. Die Ursache der Hämaturie war schnell gefunden, aber es handelte sich um eine extrem seltene. Chirurgisch konnte die Erkrankung, welche 1954 in eben jener Klinik, in der sich der Patient nun vorstellte, zum ersten Mal von Benjamin Castleman beschrieben wurde, kuriert werden.

Außer der vom Patienten selbst nach einer Wanderung bemerkten Makrohämaturie war die körperliche Untersuchung unauffällig. In der Sonographie des Abdomens fand sich eine 2,8 x 3,3 x 4,6 cm messende Raumforderung im Retroperitoneum, heterogen, gut umschrieben, anterior der rechten A. iliaca communis. In der 18F-FDG-PET zeigte sich keine pathologische Marker-Aufnahmeerhöhung.
Differenzialdiagnostisch kommen bei einer schmerzlosen Hämaturie mit retroperitonealer Raumforderung sowohl maligne als auch benigne Ursachen infrage. Z. B. könnte ein spontanes Hämatom oder eine Infektion (perforierte Appendizitis mit Abszessbildung) dahinter stecken. Allerdings weiß man auch, dass die meisten dieser Raumforderungen maligner Genese sind, es könnte also auch ein mesenchymales Weichgewebs- Sarkom, Tumoren neurogener Abstammung, Keimbahn-Tumoren oder lymphoproliferative Erkrankungen dahinter stecken. Da den Ärzten in dem vorgestellten Fall „Weichgewebs-Sarkom“ aufgrund der gesamten Patientenpräsentation am wahrscheinlichsten vorkam, entschloss man sich zur chirurgischen Resektion des Tumors. In der Histologie fand man dann das Bild eines Morbus Castleman vom hyalin-vaskulären Typ.
Der M. Castleman fasst eine heterogene Gruppe von Lymphknotentumoren zusammen (auch bezeichnet als angiofollikuläre Lymphknotenhyperplasie oder Riesenlymphknotenhyperplasie). Es existieren zwei klinische Varianten, der unizentrische und der multizentrische Typ, sowie die histologischen Typen „hyalin-vaskulär“ (ca. 91% der Fälle) und „Plasmazell-Typ“ (ca. 9%). Laborchemisch findet man oft systemische Entzündungszeichen und/oder Anämie. Beide Formen des unizentrischen Typs werden in der Regel durch Exzision kurativ behandelt; das Gesamtüberleben liegt bei über 90%. Beim multizentr. Typ (oder wenn ein Solitärtumor nicht in sano reseziert werden kann) kann eine partielle Resektion mit Radiatio oder eine alleinige Radiatio notwendig sein. CB
Quelle:

Blute ML et al.: Case 5-2017: A 19-year-old man with hematuria and a retroperitoneal mass. N Engl J Med 2017; 376: 684-92

ICD-Codes: R31

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