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Arzt-Depesche 1/2018

Neue Leitlinie „Generalisierter Pruritus"

Die britische Dermatologenvereinigung BAD (British Association of Dermatologists) hat Anfang 2018 eine neue Leitlinie zum Thema „generalisierter Pruritus“ veröffentlicht. Sie behandelt die Untersuchung und Behandlung von Patienten mit sekundärem Pruritus ohne eine zugrundeliegende andere Hauterkrankung und generalisierten Pruritus unklarer Genese (GPUO, generalized pruritus of unknown origin). Nicht anwendbar sind die Empfehlungen auf lokalisierten Juckreiz und Pruritus bei Kindern oder Schwangeren.

Pruritus, also Juckreiz, ist ein häufiges und Patienten besonders belastendes Symptom zahlreicher Erkrankungen. Aber er kommt auch in Form des GPUO auch ohne auslösende Ursache in etwa 8% aller Pruritus-Fälle vor. Es besteht bislang kein internationaler Konsens, wie man Juckreiz überhaupt misst und dokumentiert. Neben einigen anderen, komplexeren Skalen ist in der Praxis die Erfassung der Schwere mittels visueller Analogskala (z. B. von „0 - kein Juckreiz“ bis „10 - maximal vorstellbarer Juckreiz“) sinnvoll.
Folgende Erkrankungen bzw. Zustände können einen generalisierten Pruritus ohne Exanthem auslösen: Erkrankungen des Eisenmetabolismus, Urämie, Lebererkrankungen, Malignitäten, hämatologische Erkrankungen, Infektionen, endokrinologische Erkrankungen, neurologische Pathologien, psychologische und emotionale Faktoren, Medikamentennebenwirkungen, Herzinsuffizienz, Schwangerschaft, Pruritu der älteren haut, GPUO.
 
Eisenmetabolismus
 
Seit bereits mehr als 40 Jahren ist das Phänomen des generalisierten Pruritus bei Eisenmangel bekannt. Bei jedem generalisierten Pruritus ohne Rash sollte daher ein großes Blutbild und Ferritin bestimmt werden. Wenn Ferritin normal ist und ein Eisenmangel dennoch vermutet wird, sollte man das Serumeisen und die Eisenbindungskapazität bestimmen. Weil aber auch eine Eisenüberladung Juckreiz verursachen kann, können in diesen Fällen Leberfunktionstests sinnvoll sein. Bei Eisenmangel gleicht man diesen aus, bei Überladung sind Aderlass oder Desferrioxamin- Infusion eine Option.
 
Hämatologisch-onkologische Ursachen
 
Ein Pruritus kann das erste Symptom einer echten Polycythaemia vera sein, aber auch von sekundären Polycythaemie-Formen (durch pulmonale oder nephrologische Ursachen bedingt). Während Pruritus auch beim Hodgkin-Lymphom vorkommen kann, ist er bei anderen Lymphomarten sehr selten. Auch eine Sichelzellanämie kommt als Ursache von chronischem Juckreiz infrage.
Ein generalisierter Pruritus ist bei soliden Malignomen eher selten – und meistens multifaktoriell (paraneoplastisches Syndrom, paraneoplastische Dermatose, Neuropathie, kutaner Primärtumor, Melanom, Nebenwirkung onkologischer Therapien, Bestrahlung, Biologika). Auch wenn der Pruritus das Erstsymptom eines malignen Geschehens sein kann, wird ein komplettes onkologisches Screening wegen Pruritus allein nicht empfohlen. Pruritus-assoziierte Krebse sind u. a. Mamma-Karzinom, kolorektales Karzinom, Lungen- und Magenkrebs, Cholangiokarzinom, Hodenkrebs, Thymom, Insulinom und gastrales Karzinoid.
 
Endokrinologie
 
Nach Lehrbuch können sowohl Schilddrüsenunter- als auch überfunktion sowie ein primärer Parahypothyreoidismus Juckreiz verursachen – besonders valide sind die Studiendaten dazu aber nicht. Noch seltener sind ein Diabetes mellitus, Adipositas oder ein Insulinom Pruritus-Ursache. Wenn keine weiteren Hinweise auf ein endokrinologisches Problem bestehen, ist eine weitere Abklärung wegen eines „solitären“ Pruritus daher nicht sinnvoll. Allerdings kann eine Vitamin- D-Supplementierung – neben der Behandlung der Grunderkrankung – einigen Patienten helfen.
 
Niere, Leber, Nerven
 
Bei Patienten mit terminalem Nierenversagen bei CKD (chronic kidney disease) ist ein Pruritus häufig. In zwei Drittel der Fälle kommt der Juckreiz generalisiert vor. Die Urämie verursacht besonders im Sommer und nachts juckende Beschwerden.
Liegt ein Pruritus bei pathologisch hyperpigmentierter Haut vor, sollte man an eine hepatische Ursache denken. Hände und Füße sind oft besonders betroffen. Da die Korrelation zwischen Pruritus- Schwere und Gallensäuren aber nur schwach ist, müssen noch andere Faktoren pathophysiologisch relevant sein. Neben der Galleabflussobstruktion als Ursache kann es auch leberparenchymatöse Ursachen geben.
Ein neuropathischer Pruritus kann verursacht werden durch: postherpetische Neuropathie, brachioradialer Pruritus, Notalgia paraesthetica, Rückenmarkstumoren, Neurofibromatose Typ I oder Multiple Sklerose. Auch eine Nervenkompression kann im abhängigen Dermatom Juckreiz verursachen, und eine Nervendegeneration generellen Juckreiz (z. B. bei Diabetes mellitus, Guillan-Barré-Syndrom, Sarkoidose, HIV).
 
Medikamentöse Behandlungsoptionen
 
Besteht eine nachgewiesene Ursache des (sekundären) Pruritus, ist die Behandlung der Grunderkrankung angezeigt. Besteht hingegen ein idiopathischer GPUO, gibt die BAD folgende Empfehlungen zu topischen Therapien (ggf. Zulassungsstatus beachten!):
  • Man kann es mit topischem Doxepin versuchen (max. 8 Tage, 10% der Körperoberfläche, 12 g tgl.).
  • Topisches Clobetason-Butyrat oder Menthol kann hilfreich sein.
  • Crotamiton-Creme sollte vermieden werden.
  • Topisches Capsaicin oder Calamine-Lotion sollten vermieden werden.
Zur Wirksamkeit und Sicherheit von systemischen Therapien bei Pruritus gibt es keine kontrolliert- randomisierten Studien. Die meisten Publikationen sind Fallberichte. Die konkreten Empfehlungen lauten:
  • nicht-sedierende Antihistaminika wie Fexofenadin 180 mg oder Loratadin 10 mg; alternativ leicht sedierende wie Cetrizin 10 mg
  • Paroxetin, Fluvoxamin, Mirtazapin, Naltrexon, Butorphanol, gabapentin, Pregabalin, Ondansetron, Aprepitant
  • H1- und H2-Antagonisten in Kombination, z. B. Fexofenadin und Cimetidin
  • sedierende Antihistaminika kurzzeitig oder in palliativen Situationen, z. B. Hydroxyzin

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Einteilung des Pruritus
1.Pruritus mit zugrundeliegender anderer Dermatose
2.Pruritus ohne zugrundeliegende Dermatose
   2a.Sekundärer Pruritus auf Grundlage einer anderen systemischen Erkrankung
   2b. Generalisierter Pruritus unklarer Genese (GPUO)
 
Hinweis: Typ 2a und b können sekundäre Hautveränderungen durch Kratzen oder Exkoriation aufweisen. Akut: <6 Wochen; chronisch: >6 Wochen.

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